Zurück – an die Arbeit: zum Schreiben zurück, das mir mal alles war. Atem. Herzschlag. Ein Grund, morgens aufzustehen. Jetzt löffle ich Erdbeermarmelade aus dem Glas. Wie von Sinnen. Ich erinnere mich kaum mehr daran, was vor den weißen Haaren war. Als hätte ich mit der Blondierung den bösen Geist der Vergangenheit ausgetrieben, das Wesen des Mannes, der vor mir hier war, in diesem Körper. Was aber blieb?
Ich bin zwischen die Tage geraten. To-Do-Listen. Ich arbeite nicht, nein. Vielmehr bin ich Konsument meiner Arbeit geworden. Bildschirme haben meine Augen ersetzt, meine Hände fühlen nichts als das Weiß der Tasten. Es gibt immer etwas zu erledigen: Da sind Telefonate zu führen, Kontakte zu knüpfen, Facebook-Posts zu schedulen, Workshops vorzubereiten, Bücher zu lesen, Texte zu lektorieren, Ads zu schreiben. Das Chaos kennt keine Leerzeichen, das Chaos schreibt alles zusammen. & klein. Ein Alptraum also? Auch nicht, nein. Morgens, wenn ich aus dem Bett steige, will mich stets eine Hand zurück ins Warme ziehen. Ich aber gehe. Der Junge versucht es immer wieder, jeden Tag.
& manchmal, wenn ich noch müde bin, gebe ich nach. Dann drücke ich meine Brust gegen seinen Rücken, spüre: Herzschlag. Atem. Meine Hand in seiner. Da ist er mir so nah wie selten einer.
& manchmal verliere ich mich in diesen 8 Minuten – 8 Minuten bis der Wecker, bis die S-Bahn & die U-Bahn & die ganze Welt wieder was will, von diesem Mann mit den weißen Haaren -, in diesen Honiggläsern der Zeit, da verliere ich mich, in seiner Hand in meiner, in meiner Brust in seiner, & finde mich auch nach dem Aufstehen nicht.
Das ist nicht schlimm, sagt – ja, wer eigentlich? Ich kann den nicht sehen, der ist immer außerhalb, im toten Winkel. Schlimm ist es nicht. Es funktioniert, das alles funktioniert tatsächlich: Morgens & mittags & abends & nachts, meditieren & trainieren & essen & lesen & küssen & ficken & tanzen, das klappt. Nur das Schreiben, das Denken & Schreiben – das ist wie weggewischt. Als hätte ich’s nie getan. Wenn ich mir selbst auf die Finger sehe, sehe ich nichts als Funktionen. Optimierungsmaßnahmen. Ratschläge des allwissenden Erzählers aus dem Off: 5 Daily Habits That Will Change Your Life, How To Make Your Writing Suspenseful, 11 Creative Ways To Save Even More Money. Nur mich sehe ich nicht. Die Gedanken sind stumm geschaltet. Das Sprechen fällt schwer; es ist wie ein Captcha-Code mit verzerrten Sonderzeichen. Erkennen & Rastern & Gliedern – fehlen. Statt der (Denk-)Prozesse gibt es nur Statusmeldungen, Zustandsbeschreibungen, Rückkopplungen. Die Wiederholung des Gesehenen & Gehörten als Unberührtes. Oder: Unberührbares. Die Welt perlt ab. Die Spuren: verwischt.
Übrig bleibt das dumpfe Gefühl eines Vermissens. Die leere Stelle zeigt dabei keinen konkreten Fehlstand. Hier war nie einer. Es ist viel eher ein Soll: Hier müsste einer sein.
Schön wieder von Dir lesen zu dürfen. :)
Denn ganz egoistisch erzählt: Deine Worte erhellen meine manchmal doch recht düsteren Tage.
So hoffe ich, dass Dir trotz Zeitnot? gut geht?
(Und Nein, diese Frage stelle ich niemals aus reiner Höflichkeit heraus, sondern weil es mich tatsächlich interessiert.)