Die großartige Candy Bukowski hat mir ein Stöckchen zugeworfen, & auch wenn in der Regel jeder Stock an mir vorüberfliegt – diesen fang ich gerne auf. (Getreu des neuen Hamburger Mottos). Als Vorwarnung allerdings sei gesagt, dass ich mich auch jetzt nicht kurzfassen werde; allein des Stilbruchs wegen.
Schreiben ist…
Immer dann den Stift zur Hand zu haben, wenn gerade kein Papier da ist. Ein Kratzen im Gaumen, ein Jucken unter den Nägeln. Schreiben ist alles. Ein Gedanke, der endlos sich abwälzt auf andere Gedanken; das wird zur Lawine. Bilder & Klänge & Gerüche. Schreiben bedeutet dem Gefühl nachzugeben, das sich verzahnen will zu Erinnerungen, die klackern im Weiß; das ist der Wunsch, dem Flüchtigen einen Käfig zu bauen, in dem es heimisch wird. In dem es sich wohlfühlt. Für eine Weile. Schreiben ist die Überwindung der Zeit. Ein Grund morgens aufzustehen.
Bloggst Du offen oder anonym & warum so & nicht anders?
Ich blogge offen, nenn es nur nie bloggen, sondern schreiben, sage: Ich schreibe online, als gäbe es einen plausiblen Grund dafür, das so zu betonen, aber die Trennung zwischen Bloggen & Schreiben ist für mich durchaus vorhanden; es ist eine Art Schluckauf, also: das Bloggen, es ist die Angewohnheit zur Schilderung, ein möglicherweise mit dem Begriff des New Journalism & dem Schreiben von Tagebüchern verknüpftes Mischgenre, zumindest meinem Empfinden nach; das kann ich nicht weiter fassen. Will ich auch nicht. Anonymität war für mich nie ein Thema. Mein Name hat selten eine Rolle gespielt, es gab nie ein begriffliches Ich, sondern nur ein Schattenspiel. Denke ich. Dennoch habe ich nie ein Geheimnis draus gemacht. Oder anders: Mein Name ist Winter. Ich blogge schreibe.
Worüber schreibst Du, was ist Dein Genre?
Worüber? Ich befürchte, ich weiß es nicht; ich müsste außerhalb meines Kopfes sein, um ins Innere der Gedanken blicken & darin eine Systematik feststellen zu können. Ich schreibe über das Chaos, schätz ich. Begegnungen, Abwesenheiten – ja, ich denke, wenn ich über etwas in den letzten Jahren geschrieben habe, dann über die Abwesenheit von Menschen. Die Flüchtigkeit von Begegnungen, das Sichlösenmüssen, das Verlassenwerden & Verlassen. Immer: über die Liebe. Immer: über das Gewicht der Liebe. Ein Genre habe ich nicht, glaub ich. Mir fiele es zumindest schwer, es zu benennen. Ich halte im übrigen auch nichts von Genres. Sie grenzen ein, sie stauen Papier in fremder Leute Schubladen. Sie hindern an Publizität. Nieder mit Genres!
Begrenzt Du Dich selbst dabei, gibt es eine Schere?
Es gibt immer Scheren; ich lebe in einem Kreis aus Scheren, die schnappen nach überflüssigen Wörtern, nach falschen Sätzen; die schneiden entzwei, was ich ohne Pause an Satzfäden abspulen könnte. Jeder Punkt ist ein Scheren-Schnitt. Ohne Schere kein Schreiben.
Das Beste & das Blödeste am Bloggen ist…
Das Beste: gelesen zu werden ohne buhlen zu müssen. Das Blödeste: nicht gelesen zu werden, weil: kein Buhlen.
Was ist Dein liebster, eigener Text & warum?
Ich habe so viele Texte geschrieben, die ich mag – auch wenn das vielleicht ziemlich selbstgefällig klingt, but anyway, Bescheidenheit ist Ansichtssache -, sodass es mir vor allem schwerfällt, den Überblick zu behalten bzw. einen einzigen herauszupicken. Daher beschränke ich mich mal nur auf dieses Jahr, da gibt es zwei Texte, die ich wirklich mag:
1. Leuchtfeucher, dein.
Den Text habe ich im Exil geschrieben, kurz vor Silvester. Er ist meinen Freunden gewidmet, die mir meine Familie sind, meine Stützen, ohne die ich all die schwierigen Zeiten nicht unbeschadet überstanden hätte. Oder was heißt unbeschadet? Dass da jetzt einige Kanten & Ecken weg sind, ist klar. Aber sie waren da & hatten Klebstoff & Klarlack dabei & das ist mehr, als man erwarten kann. Das Leuchtfeuer ist aus einer Herzenstraurigkeit entstanden, eines Verlusts wegen, & wurde dann zu etwas ganz anderem. Das mag ich daran, das Verbrennen einer Traurigkeit, die zwar die Liebe als Asche zurücklässt, dafür aber die Freundschaft zur Flamme macht.
2. Epilog: Catherine.
Zehn Minuten nach dem letzten Kuss an der Tür ist der Epilog entstanden. Für mich ein seltsam wichtiger Text. Ursprünglich als simples Gedicht geplant, sind mir die Strukturen immer wieder selbst unter den Fingern zerfasert; es kamen immer mehr Bilder & Wörter nach & vermutlich hätte ich endlos weiterschreiben können, wenn die plötzliche Leere nicht gewesen wäre, die mir in Mund & Augen stieg. Ich habe den Namen des Franzosen nie erfahren & so wie die Dinge stehen, werde ich ihn auch nie erfahren, aber die Begegnung, der One-Night-Stand als solcher, der mir den Epilog eingab, blieb intensiv, blieb wichtig. Das findet sich für mich im Text.
Das große Thema meines Lebens lautet…
Liebe. Revolution. Tod.
Ich bin eine coole Socke, weil…
… sich meine Texte immer so lesen, als hätte ich die Rasierklinge immer schon direkt am Handgelenk, dabei bin ich in Wahrheit relativ heiter. Es handelt sich dabei natürlich um eine gehässige, grundsätzlich morbide Heiterkeit, aber sei’s drum. Ich lache gern & bringe auch gern zum Lachen. Ich denke, das gelingt mir in der Regel auch. Ob mich das cool macht, weiß ich nicht. Was ist Coolness überhaupt? Ist es so was wie Fame? Denn wenn’s danach ginge, wäre ich tatsächlich nur eine Socke, eine einzelne, & zwar ohne jedes Adjektiv.
Ich bin arschlangweilig, wenn es darum geht…
… mein gewöhnliches Alltagsleben zu leben, das abseits von jedem Exzess & Extrem stattfindet; selten zwar, aber es passiert tatsächlich. Das heißt, wenn ich meine T-Shirts im Badezimmer falte & in der Küche warte, bis das Teewasser kocht; wenn ich die Brille im Theater aufsetze, damit ich auch die Gesichter der Schauspieler erkennen kann; wenn ich vom Rewe mit dem Klopapier unterm Arm nach Hause marschiere, als jagte mich der wütende Mob mit brennenden Fackeln; wenn ich staubsauge – ich glaube, ich kann nicht langweiliger sein, wie wenn ich staubsauge. Staubsaugen ist das Schlimmste. & die Sache mit dem Klopapier.
Der Wert der Dinge bemisst sich für mich…
… anhand der Zeit, die uns für sie bleibt.
* * *
So weit ich die Regeln des Spiels begriffen habe, wirft man ein Stöckchen weiter. Das mache ich hiermit, auch wenn ich mich da gerne limitiere; ich bin im Grunde nur ein stiller Teilhaber (ihr versteht). Bitte antwortet:
I fucked your boyfriend
Goethe is dead
Fräulein von & zu Amok
Meine Fragen (in Anführungszeichen; es sind mehr Aufforderungen – huch, Imperativ!) wären da die folgenden:
1. Beschreib den Gegenstand, der dir am meisten bedeutet; dieser kann sich in deinem Besitz befinden oder nicht.
2. Welcher Ort macht dir Gänsehaut (positiv oder negativ oder beides)?
3. Dein Lieblingsautor/deine Lieblingsautorin – warum, wie, welches Buch, welche Bedeutung hat dieses Buch in deinem Leben (dieser Autor/diese Autorin)?
4. Die Süße des Lebens bedeutet für mich…
5. Schierling trinken: JA! – aber in welchem Moment lohnt sich das Sterben wirklich?
6. Lotus fressen: JA! – was würdest du gerne vergessen & warum?
7. Ein Gedicht, das dir etwas bedeutet.
8. Was ist dein Lieblingsdinosaurier?
9. Wonach streben?
10. Was soll eigentlich auf deinem Grabstein stehen & wie wünschst du dir deine Beerdigung?
(11. Dein absurdestes Supermarkterlebnis als optionale Frage, wenn dir Frage 10 zu düster ist).
sehr schön. köstlich amüsiert, like always. besonders über das klopapier.
YES! Und wie! Ziemlich genau so gnadenlos, wie ich es mir von Dir erhofft hatte! Liebe. Revolution. Tod. Und immer wie mit der Rasierklinge am Handgelenk und dabei in Wahrheit so heiter. Ich liebe es, wie Du Worte findest, domptierst, zu deinen eigenen machst. Wenn Du übers Schreiben schreibst, nicht minder ein geniales Original. Danke, großes Kino!
Das ist zu viel der Ehre, Miss Bukowksi, wirklich. Aber ich danke trotzdem, scharre verlegen mit den Füßen & kratz mich im Nacken, wie das die Leute so machen, die Komplimente bekommen, die sie erröten lassen & nicke gewichtig mit dem Kopf, sage: Danke, ich versuch mein Bestes. &: immer wieder gern!
Ne, das ist schon genau richtig, das musst Du jetzt so nehmen, wie es ist :) Grüße ins schöne Berlin!