Während du gegangen bist

Sometimes change is needed, sagt Ryan & nimmt seinen Rucksack auf die linke Schulter; es ist seine leichte. Not because the old is bad, but because everybody should feel like they are on the brink of something beautiful. Er lächelt, & küsst die Luft; er steigt in den Bus, der ihn nach Budapest bringt, nach Osteuropa, wo die Sonne aufgeht & herrscht, in ein Königreich aus Licht fährt er zurück, & bleibt noch mal kurz auf der schmalen Treppenstufe stehn, jetzt, & dreht sich zu mir. & ich, der ich auf dem Gehweg bin, sehe das Leben, das uns gegeben wäre, wenn ich – ich -, nicht Ich wäre, sondern ein Anderer. Die Tage, die sich abrollen ins Weiß, die seh ich. Einen Morgen in Prag, wenn die Fensterläden klappern, während wir Kaffee aus zu großen Tassen trinken, & Bücher lesen, deren Seiten geknickt sind von seinen Fingern & von meinen wieder begradigt. Ich sehe Warschau & darüber einen dunkelblaufastschwarzen Himmel, der sich färbt an den Rändern, wo wir warten & schreien, laut, oh so laut gegen die Welt, die sich aufbäumt im Verkehr & Toben wilder Hunde. In Bukarest regnet es, regnet es tags & nachts & dazwischen, da regnet es auch, aber wie mild der Wind hier ist auf unserer Haut; wir liegen beinander im Bett, wie wenn einer die Schuhe eilig auszieht, um ins Meerwasser zu waten, so liegen wir, vergessen, gedankenlos, die eine Hand auf dem Rücken, & die andere beim pulsierenden Schwanz. Wir lachen viel, schweigen viel, suchen das Salz unserer Augen. In St. Petersburg rauft die Nacht uns die Haare & stößt uns mit drohenden Fäusten durch die Gassen bis zum Gribojedow-Kanal. Hier klatscht das Wasser gegen Gestein. Wir rennen & schimpfen & verfluchen den flüchtigen Kuss. Könnte dieser Blick nur niemals enden, doch die Wimpern senken sich schon – schnell, noch ein letztes Mal: die Spitze des Stifts auf meinem Rücken spüren, der meine Leberflecke miteinander verbindet & sein Kichern dabei – schneller -, noch die Lippen, die sanft sind & wild, & viel zu leicht auf meinem Mund, der immer schnappt & immer beißt, & immer sehnt – die Stunden vergehen, die zu Minuten, die zu Sekunden werden, die laut ticken, die sich Jahre nennen – nur einen Moment noch, bitte -, die Finger, die tief gehen bis ins Herz, & die Luft, die einströmt, kühlt uns nicht, stillt nicht den Hunger – doch das Alter reißt an den Wimpern, an den Ohren, die Nase zieht es nach unten bis zum Mund – fuck, könnten wir nicht noch eindeutiger sein – die Reibung unserer Körper spüren, das Schmatzen von Haut, die sich in Haut drängt, die sich hineinwühlt ins Stöhnen, & das – könnten wir das dann nicht Ewigkeit nennen?

No.

& die Tür, die aus Glas ist, wird jetzt zu Stahl & Eisen; pneumatisch fällt sie zusammen & reißt ihn mir aus den Augen, den Goldjungen, den Farmer aus Arizona, reißt ihn fort von der Stelle & schnippt ihn davon, weg! nach Osten, wo die Sonne ist. & ich, ich bleibe im Schatten. Höre dieses Lied –

– & bin glücklich, & traurig, & von beidem ganz viel. Weiter, die Treppen hinab & hinauf. Dann kommt der Regen über Berlin, & verschmiert die Lichter, scheuert sie wund. Überall sind plötzlich Pfützen auf dem Asphalt, & ein leises Prasseln. Wie schön, denk ich, & fühle die Jahre zurückkehren, die in Wahrheit nichts sind als Sekunden, als Minuten & Stunden, all die Tage gehn durch mich hindurch bis ein Leben draus wird & das, das ist die eigentliche Veränderung, das Neue, das kommen wollte & blieb. Während du gegangen bist. Also atme ich aus als die Bahn einfährt & der Wind prallt gegen mich, & wirft mir die Jacke hinauf in die Luft, die ganz leicht ist, & frisch, & was? wie? ist das mein Leben, bin das denn ich? & die Augen wühlen sich frei, sie sehen blinzelnd den Regen wie ein Feuerwerk, & das, jetzt, das war das Glück & die Liebe, & ein Abschied für immer & ein Vielleicht, das alles lässt nur keine Zeit. Vielmehr bleibt uns ein Raum, der endlos sein will an den Ecken, wie der Tod, der an allen Häusern klopft, aber Lieben! & Verlangen! & den Kopf dicht zwischen den Wolken haben, die ganz weiß sind von unten, weil hier unten ist Licht. Überall ist plötzlich Licht. & ich bin nass, so nass als hätte jemand einen Eimer Wasser über mir ausgeschüttet, & mir ist kalt. & ich bin glücklich. & ich bin todtraurig. & lache heulend wie ein Kind, das nicht weiß, wo es ist, & doch, hier bin ich, während alle nirgends sind & hier! Ich bin es, der den Rucksack auf die leichte Schulter nimmt & die Straßenlichter zählt, die flirren, flirren, flirren. Endlos, in die Tiefe der Nacht. Ins Leben. Zu dir.

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