& von links die Sonne

Wenn wir uns doch vergeben könnten, sagt sie, die Finger bei der Tasse, die Lippen am Rand. Wenn wir uns restlos vergessen könnten, das, was wir hatten. Wenn wir was hatten. Hatten wir? Einen Abend oder zwei, eine Woche vielleicht, in der wir nicht wie auf Scherben durch die Wohnung gingen. Du übertreibst, sagt er. Maßlos. Ja? Sie nimmt sich den Mund zusammen & trinkt. Dann lächelt sie breit. Ist doch auch egal, nee? Wir sind die Rabeneltern unserer Liebe gewesen; wie Harpyien haben wir unsere Krallen in das Bisschen Ichliebedich geschlagen bis es gewinselt hat, bis es drum betteln musste, dass wir es loslassen, freilassen, fallenlassen. & dann kam eine neue Nacht voller Geseufz, voller Zärtlichkeit, die uns wie Mundgeruch auf der Zunge lag, & morgens – erinnerst du dich nicht, wie wir versucht haben, uns morgens schön zu finden, wo das Licht doch so grausam zu uns war? Die kleine orangefarbene Plastikschachtel in ihrer Hand, erst dort, dann auf dem Tisch neben der Serviette; es klackert, es klappert, es klappt. Eine weiße Tablette, die teilt sie gerecht. Er schenkt sich Maracuja-Saft nach. Ich weiß nicht, wie wir uns noch ansehen können. Du mich. Ich dich, ja. Jedes Wort endet in der Schwebe, immer ganz dicht neben den eigentlichen Worten; wir reden ums Eigentliche, wir schleichen um jedes Vergehen. Ich hab mit Joseph geschlafen, sagt er, & trinkt; der Saft ist zu süß, fast faulig in seinem Mund, der jetzt ganz trocken ist. Du meinst, du hast ihn gefickt, sagt sie, & lächelt. Auch. Ich weiß, sagt sie. Er ist mein Bruder. Wir sind Blut & Ewigkeit. Ich hab ihn an dir gerochen, damals. Feiner Holzstaub & Leder, Tabak & Erde, ein bisschen was vom Sterben im Schweiß, der ihm wie Frischhaltefolie auf der Haut klebte. Mir? Ihm. Ist das der Grund? Für was? Na, dieses Fragmentieren, dieses Nichtzursachekommen. Du gehst dir aus dem Weg & nennst das eine Erkenntnis. Ich kapier kein Wort. Ich hab von deinen Eskapaden gehört, weißt du? Ist keine Kunst, sagt er, & trinkt. Wer hat das nicht? Joseph. Oh. Ja, oh! Der ist aber immerhin auch nicht in mich verknallt, uh?

Zoey? Zoey.
Ein Hustenreiz ganz weit vorn, hinter den Lippen, beim Kauen der kleine Apfelrest zwischen den Zähnen; Zoey? Du in deinen Jeans & dem roten Shirt, das leicht ist & fast transparent, & daneben: ein Mann mit Schnurrbart & kalten, blauen Augen, die auslaufen wollen, so starren sie mich an. Mich. Die Haare zu lang, das Auge rot. Ich kann mich selbst nicht sehen, kein Bisschen; ich bleibe mir verborgen wie etwas, das hinters Bücherregal fällt, hinter die Kommode beim Telefon; vielleicht eine Notiz mit einer Nummer drauf, vielleicht ein Foto. Ich bin weg, & unsichtbar, & ganz genau mitten drin. Zoey. Das bist du. Ich bin namenlos.

Hast du mich überhaupt geliebt, fragt sie, & ich will kichern. Ich bin vermutlich verrückt. Ich habe niemanden je geliebt. Ich folge meinen Obsessionen, ich bin wie ein Tier. Eine läufige Hündin, damit kann man mich vergleichen, sag ich, & meine Augen lachen nicht. Ich mein’s ernst. Ich wittere & schnüffle & wenn mir wer nachgibt, dann gibt’s kein Hollywoodfeuerwerkliebesgedöns. Es gibt einen Schwanz, der will eindringen, & eine Zunge, die dir das Salz aus der Kuhle deiner Schlüsselbeine leckt; ich bin kein liebesbedürftiges Schoßhündchen, das einem am Schritt leckt damit’s ne Belohnung kriegt – das Schwanzlecken ist schon Belohnung genug. Alle kommen mir ständig mit der Liebe, & dem Einswerden, & dem Sehnsuchten, das ganz blank gewetzt ist von hunderttausend gierigen Händen & wund gesehen von hungrigen Augen, aber Liebe? C’mon, bitch! Du bist so bitter, sagt sie & verrührt den Kaffee. Bitter?! Ich? Nur weil ich diesen von der Liebe breit getrampelten Pfad nicht langlaufen will? Weil ich nicht dran glaube, dass mich die Heilige namens Liebe ins Paradies führn kann? Was für antiquierte Vorstellungen du hast! Als wäre die Liebe das einzige, & alle, die das nicht so sehen, verbitterte Zyniker. Es gibt nichts zu vervollständigen. Ich bin als Ganzes bereits auf die Welt gekommen. Das ist nicht der Punkt, sagt sie. Der Punkt? Du meinst das, was ich glauben soll, aber nicht glauben will? Okay. Auf den Punkt ist geschissen. Ich sehnsuchte hell, ja, & ich suche Widerstände, & fuck yeah, I wanna do mischief, I wanna play hard & unfair, whatever – komm mir bloß nicht mit der Moral & dem, was wirklich richtig ist, oh du mitteleuropäische Schönheitskönigin, die nie gelitten hat im Leben, die nie gehungert hat, die nie von der Hand im Mund leben musste, die immer hatte & hatte, die ganz voll war vom Haben – ist das der Punkt? Ouch, sagt sie. Was ist mit dir denn los? Ritalin, sag ich, oder dessen Substitut, & Schmerztabletten, die sind los, die rauschen mir grade durch die Venen & zünden ganze Feuerwerke. Lachen, Schweigen, ein bisschen betretenes Blinzeln. & die Sonne von links.

Einmal, sag ich, nur einmal will ich mal ganz ehrlich sein – mit dir & dir & im Grunde mit allen. Es ist mir ganz egal, was ihr wollt; es stimmt nämlich nicht – man kann sich im Leben noch so anstrengen, manche Dinge bleiben unmöglich, egal wie sehr man sie will. & das ist ok. Was ihr Scheitern nennt, ist bloß das Leben. Einer sagt A, & schlussfolgert B, aber B ist nicht die logischste aller Möglichkeiten. Wenn einer A sagt, hat er vielleicht schon das Z vor Augen, oder irgendein anderes Scheißalphabet; fuck, es gibt mehr Buchstaben als unsere. Wenn schon! Ich will wild sein & tobsuchten & ganz & gar unvernünftig sein in dieser Mode-Erscheinung namens Rationaler Gesellschaft, & dazu gehört eben, dass ich nicht beziehungskompatibel bin, wie ihr so sagt, dass ich nicht verliebt bin, sondern besessen. Jetzt grade find ich den Sexjuden toll, dem ich’s besorgt hab im Club, & ich find den Dramaturgen toll, den ich nicht haben kann, & ich find die blonde Queen toll, die ein Maulwerk hat wie ein Kesselflicker, aber immer meine Hand auf ihr Herz legt beim Löffelchenmachen; & ja, fuck, ich war besessen von dir, & manchmal bin ich’s noch, dann hol ich mir einen runter auf dich, nachts & morgens, & manchmal unter der Dusche, wenn alle rein wollen ins Bad & ich nur gleich fertig sagen kann, & dann dauert’s doch noch fünf Minuten länger, & ja, auch auf deinen Bruder, dessen Körper glatt & kalt war unter meinen Fingern, & manchmal denk ich auch an euch beide, & will euch wieder, besonders in den Nächten, wenn mir das Dunkel laut in die Augen steigt & mich blendet vor Gier, aber hey!, das ist alles verdammt noch mal ganz okay so, wie’s ist, denn du hast da nicht mehr Recht als ich, hast nicht mehr verstanden als ich, du hast nur eine andere Entscheidung getroffen, hast dich für die Liebe entschieden, die dich hoffentlich adelt, & wirklich, ich gönn’s dir, denn ich weiß, dass das funktionieren kann, aber bitte – bitte bitte bitte -, nenn mich nicht verbittert, nur weil ich euer Antipode bin, der trampelt & trampelt auf der andren Seite der Welt, der da tanzt. Denn weißt du was? Das ist eine Party, was ihr ein Erdbeben nennt. Das ist eine Möglichkeit, was ihr bemitleidet & beseufzt. Also trinken wir hier, & ich find deinen Typ da echt heiß, & ich denke, wir könnten jetzt echt viel Spaß haben, aber ich trink den Saft noch schnell leer & dann geh ich besser, weil das vermutlich ein bisschen zu viel war auf einmal… Nur eins noch: Es geht mir nicht immer gut, nein, aber das liegt nicht an diesen Entscheidungen, das liegt daran, dass ich krank bin, & manchmal hab ich einfach bestimmte Phasen, aber ich bin oft genauso glücklich, wie ich am Boden bin, & ja, ich weiß nicht, vielleicht folge ich einer dieser Launen auch mal bis zum Tod, & dann war’s das. Anyway. Ich will frei sein, frei von all diesem Altendenken & der Leere, die uns die Weisen in die Herzen geschüttet haben; von diesen zähgekauten Liebesphrasen & dem Müssenwollen. Ich will nicht hier sitzen & so tun, als wäre ich total in der Balance – ebenso wenig, wie ich das schwarze Schaf sein will. Es geht beides, es schlägt ein Pendel zur gleichen Zeit Glück & Unglück & in der Mitte & an den Rändern, da bin überall ich, & vielleicht funktioniert das nicht für immer. Aber ey, was funktioniert schon für immer?

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