Du & ich & Ernst Bloch

Wir gehn & stehn, wir sprechen von uns immer zuletzt. Nichts ist, was uns bleibt als Geschenk. Nichts als eine Erinnerung, die sanft ist beim Aufstehen & schmerzhaft zwei Sekunden danach. Das – sind – deine – Knochen: Ein Rohr aus Titan im Arm, ein paar Schrauben, wulstige Narben in Rosa & Rot. Das weiße Laken rutscht von der Ecke, rollt & schält sich ab von der Matratze, verheddert sich zwischen den Füßen. Wir liegen & fallen, wir greifen nach Haut. Wir sind so einsam & geil, wir pressen uns aneinander – & stoßen uns fort. Das – ist – nichts, nur eine Ahnung. Vergiss es, vergiss, wer je geliebt hat, vergiss, was Sehnsucht ist, vergiss die unruhigen Nächte, alles Warten. Vergessen ist Töten, ist Auslöschen & Verbrennen. Wir vernichten uns. Wir vernichten uns ganz. Ist schon okay. Wild wuchert der Ginster am Fenster & die Luft? Ein Ohnmachtsgefälle. Wir husten verlegen, weil wir uns haben & andere, die haben sich & ihre Kleinlichkeiten: da ist einer, der steht im Unterhemd da & zupft einem andren am Saum, weil’s in den Hosenbund muss, das bunte Hemd, & jetzt lacht er, & kichert, & ist allen überlegen – jedem sein Schicksal. Wir atmen müde & lau, wir schweigen. Ein Schicksal wie ein angeschlagener Zeh, wie eine Warze am Schwanz. Wir gehn & stehn, wir wälzen uns durch Menschenmassen & ekeln uns vor jeder Berührung. Wir wollen nur einander. Wir wollen uns verschlingen bis nichts mehr bleibt, wir beißen uns in die Lippen, reißen am Fleisch. Wechselwirkung: Liebe. Wenn wir nur mehr wären, & wachsen könnten, du über mich & ich über dich, & wir über alle, die aufs Sterben warten. All dieses faulige Reden stattdessen, all dieses Hingehaltenwerden. Über Jungs reden sie, über Jungs, die längst Männer sind, & alle suchen das Staunen. Wer hört ihr Stöhnen? Nichts ist, was uns bleibt als Geschenk. Nichts als ein Körper unter uns & in uns & um uns herum, der das Laken von der Matratze abzieht, wie wenn einer die Tischdecke vom Tisch nimmt, & es bleiben Flecken – in weiß & blau & weiß, die erst warm sind, dann kalt, die dann kleben & schließlich verkrusten. Unter der Dusche verschwindet jedes Leben im Ausguss. Keine Immunität, für niemanden. Verlangen für alle. Wir gehn & stehn, wir verpassen einander, grüßen uns matt. Der eine, der aus der Nacht kommt mit wütenden Augen. Der andere, der in die Nacht will, grinsend. Du. Ich. Wieder: du. Sonst nichts. Nur der Verkehr & ein einzelnes Herz, mein Niemalsland.

3 Comments

  1. irgendwie erscheint es mir, als läse ich #fehlfunktionen III. noch einmal. anders, aber genauso.

    Antworten

    1. ja, ist mir dann auch aufgefallen – nach dem schreiben kam das lesen & dann dieses: oh! irgendwie kenn ich das, nur aber anders.

      Antworten

      1. ist eben doch immer wieder dieselbe story mit der liebe und dem leid.

Kommentar verfassen

Trage deine Daten unten ein oder klicke ein Icon um dich einzuloggen:

WordPress.com-Logo

Du kommentierst mit deinem WordPress.com-Konto. Abmelden /  Ändern )

Facebook-Foto

Du kommentierst mit deinem Facebook-Konto. Abmelden /  Ändern )

Verbinde mit %s